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Sonntag, 26. Oktober 2008

Journalisten erklären die Welt (Teil IV): Wie der „Spiegel“ der Autoindustrie eine Zukunft gibt

Die peinlichste Form des Journalismus ist jene, in der die privaten Eingebungen des Schreibers zur herrschenden Meinung erklärt werden. Anschauungsmaterial bietet „Spiegel Online“. In diesem Medium müssen normalerweise anonyme „Experten“ herhalten, wenn die eigene Meinung mit besonderer Autorität vertreten werden soll. Diesmal kommt es dicker:

„Benzin- und Dieselmotoren, darüber herrscht inzwischen Einigkeit, haben auf mittlere Sicht keine Zukunft.“ Ah ja? Wer ist sich dessen einig? Alle Spiegel-Lohnschreiber? Oder, was der Wahrheit vermutlich näher kommt: Alle Spiegel-Lohnschreiber, die Michael Kröger heißen? „Um für den Tag X vorbereitet zu sein, sind indes Herkules'sche Anstrengungen nötig, denn die Entwicklung der Batterietechnik steckt ebenso noch in den Kinderschuhen wie die Brennstoffzelle.“

Da bleibt nur noch zu erklären, zu welchem Zweck diese Batterien und Brennstoffzellen entwickelt werden sollen. Der Energiemix Deutschlands macht nicht viel Hoffnung, Energie aus der Steckdose könne in einem Automobil auf mittlere Sicht für weniger CO₂ pro KWh gut sein als der gute alte Dieseltreibstoff. Der Investor soll also Milliarden in die Hoffnung investieren, daß auch die Bürger und Politiker des Jahres 2025 ein braunkohlebefeuertes Auto für „sauber“ halten, weil der Schornstein woanders steht, und diesem Fahrzeug eine im Vergleich zur Mineralölsteuer angemessene CO₂-Abgabe ersparen? Das kann funktionieren, muß angesichts der immer wieder mal unter Beweis gestellten Lernfähigkeit des Menschen jedoch ein Vabanquespiel genannt werden.

Eine zweite Möglichkeit wäre, diese Milliarden in die Vorstellung zu investieren, daß sich der Energiemix Deutschlands schon auf mittlere Sicht radikal ändert. Zweifellos gibt es Menschen, die dies erträumen. Im Vergleich zur Forderung, Milliarden auf diese Hoffnung zu setzen, bevor es konkrete politische Handlungsschritte in diese Richtung gibt, oder wenigstens politisches Personal auf der Berliner Bühne, das einen solchen bevorstehenden Wandel glaubwürdig zu repräsentieren vermöchte, wirken Lehman-Brothers-Zertifikate jedoch wie eine hoch seriöse Geldanlage.