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Der Brieftext

Sehr geehrter Herr Rendbæk,

wir trafen uns vor einigen Tagen in Berlin auf der Nord-Süd-Schienenkonferenz der IHK und sprachen kurz über das Scandlines-Konzept für den Zugverkehr København - Berlin. Sie baten mich, meine Gedanken als Brief zu senden.

  1. Der Berliner Nord-Süd-Tunnel wird keine Dieseltriebwagen aufnehmen.
    Sie haben völlig Recht, daß diese Planung Unsinn ist. Es ist auch so, daß Banestyrelsen einen besseren Job macht als DB Netz, weshalb es das gleiche Problem in Dänemark nicht gibt. Die DB wird aber auch in Leipzig und Stuttgart so bauen, insgesamt sind viele zehntausend Reisende betroffen. Angesichts der riesigen Budgetüberschreitungen bei Eisenbahn-Bauvorhaben in Berlin ist die Bereitschaft zu staatlicher Kostenübernahme Null.

    Die Verwendung eines Dieseltriebwagen kostet deshalb ca. 20 Minuten Umwegfahrt, im Bogen um Berlin herum auf die Stadtbahn, entweder über Spandau oder über Biesdorf. Der beabsichtigte Streckenausbau Berlin-Rostock wird damit größtenteils kompensiert.

  2. Falls die Deutsche Bahn AG nicht oder nicht dauerhaft auf Ihrer Seite ist, binden Sie sich mit dem Fahrzeug "IC3" der DSB selbst den Strick um den Hals.
    Das Fahrzeug ist genial, und gern hätte ich Niels T. Nielsen noch persönlich meinen Respekt bezeugt. Der IC3 ist aber fast 20 cm breiter, als für freizügig in Europa einsetzbare Züge zulässig. Die SJ hat 18 Monate benötigt, um für die schwedischen Schlafwagen Malmö-Berlin eine Sondergenehmigung zu erlangen, und viel Geld verloren. Jedes Stück Strecke, das irgendwann zusätzlich befahren werden soll, muß erneut vermessen werden. Das ist nur bei von der DB voll unterstützten Projekten ein geringes Problem.

  3. Das Verkehrskonzept von DSB Rederi wurde an erster Stelle durch eine strategische Entscheidung der DSB unwirtschaftlich.
    Nehmen Sie noch einmal die Tetraplan-Studie von 1998 zur Hand. Sie werden feststellen, daß die Wirtschaftlichkeitsberechnung des Zuges via Schnellfähre nur in Dänemark Einnahmen im Binnenverkehr ausweist. Obwohl ein solcher Zug zwischen Rostock und Berlin vermutlich 1/3 internationalen Verkehr, 2/3 deutschen Binnenverkehr transportierte, sind die Einnahmen aus deutschem Binnenverkehr als 0 gerechnet. Dies bedeutet den Verzicht auf 2/3 der Einnahmen auf über 50% der Streckenlänge. Selbst ohne die Hilfe der Wissenschaft kann vermutet werden, daß dies unwirtschaftlich ist. Meine Interpretation: Die DB war nicht kooperationsbereit, und die DSB hat nicht gewagt, der DB auf deren "Territorium" Konkurrenz zu machen. Mir ist nicht bekannt, daß sich dies geändert hätte.

  4. Die deutsche Seeberufsgenossenschaft ist unter Auflagen zu einer Ausnahmegenehmigung bereit, die das Mitführen von Schlafwagenzügen auf der Schnellfähre gestattet. Dies könnte die Auslastung steigern.
    "1.11.2 Where compliance with any of the requirements of this Code would be impractical for the particular design of the craft, the Administration may substitute those with alternative requirements provided that equivalent safety is achieved." (International Code of Safety for High-Speed Craft, 2000)
    Auch für Passagiere im Zug tagsüber konnte eine Lösung gefunden werden.

  5. Die praktischen Vorschläge von Scandlines sprechen für eine feste Fehmarnbeltquerung, mit Warnemünde als Zwischenlösung.
    Derzeit ist mir von Scandlines kein anderes praktisches Konzept bekannt, als eine Autoschnellfähre so herzurichten, daß sie einen Dieseltriebwagen mitnehmen kann. Fahrzeitauswirkungen liste ich in Anlage. Es reicht vermutlich, um einen Triebwagen pro Tag über Warnemünde nach Kopenhagen fahren zu lassen, sofern die Überfahrt billig genug ist. Da der Zug von Tür zu Tür nicht schneller ist als das Auto, wird in erster Linie eine preissensible Kundschaft erreicht, die außerhalb des Sommers nur selten unterwegs ist.

Ich bin mir sicher, daß Mitarbeiter von DSB Rederi weitergehende Überlegungen angestellt hatten. Ich setzte mich gern mit diesen Leuten an einen Tisch, um auf einer sehr konkreten Ebene zu diskutieren, wie ein Verkehrssystem aussehen muß, das darüber hinausgeht, und wie man die Abläufe im Hafen so gestaltet, daß der Zwang zum Dieseltriebwagen entfällt. Ich schlage vor, dabei die alten Vorschläge von DSB Rederi zur gemeinsamen Grundlage zu nehmen, von der aus man alle Probleme einarbeitet, die seither aufgetreten sind &ndash insbesondere die zu geringe Rentabilität, die für das Verkehrsministerium in København ermittelt wurde.

Mit freundlichen Grüßen

 Unterschrift

(Hans-Joachim Zierke)

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